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Kategorie: Interviews

Teisendorf. Kein gutes Haar ließ Professor Antonio Andrioli an der Agro-Gentechnik und am Handelsabkommen zwischen der EU und den MERCOSUR-Staaten in Südamerika. Andrioli war vom Agrarbündnis BGL/TS und der AbL (Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft) sowie der FITTT (Friedensinitiative Traunstein-Traunreut-Trostberg) in die Alte Post in Teisendorf eingeladen worden. Im vollen Saal wurden der Referent und die Gäste vom Sprecher des Agrarbündnisses, Leonhard Strasser, und dem Sprecher der AbL für die Region Chiemgau-Inn-Salzach, Georg Planthaler, begrüßt.

Druck auf die Bauern wächst

Vortrag über Handelsabkommen und Gentechnik: Professor Andrioli warnt vor negativen Folgen
Professor Antonio Andrioli (3. von links) mit den Organisatoren des Vortrags (von links): Georg Planthaler, stellvertretender Sprecher der AbL Region Chiemgau-Inn-Salzach, Dr. Beate Rutkowski, Vorsitzende des Bund Naturschutz Traunstein, Gertraud Angerpointner, Sprecherin AbL Chiemgau-Inn-Salzach, Dr. Renate Schunk, FITTT, und Leonhard Strasser, Agrarbündnis BGL/TS. −Foto: Alois Albrecht
Professor Antonio Andrioli (3. von links) mit den Organisatoren des Vortrags (von links): Georg Planthaler, stellvertretender Sprecher der AbL Region Chiemgau-Inn-Salzach, Dr. Beate Rutkowski, Vorsitzende des Bund Naturschutz Traunstein, Gertraud Angerpointner, Sprecherin AbL Chiemgau-Inn-Salzach, Dr. Renate Schunk, FITTT, und Leonhard Strasser, Agrarbündnis BGL/TS. −Foto: Alois Albrecht

Teisendorf. Kein gutes Haar ließ Professor Antonio Andrioli an der Agro-Gentechnik und am Handelsabkommen zwischen der EU und den MERCOSUR-Staaten in Südamerika. Andrioli war vom Agrarbündnis BGL/TS und der AbL (Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft) sowie der FITTT (Friedensinitiative Traunstein-Traunreut-Trostberg) in die Alte Post in Teisendorf eingeladen worden. Im vollen Saal wurden der Referent und die Gäste vom Sprecher des Agrarbündnisses, Leonhard Strasser, und dem Sprecher der AbL für die Region Chiemgau-Inn-Salzach, Georg Planthaler, begrüßt.

Landwirtschaft werdedurch Pestizide zerstörtIn seinem Vortrag ging der Professor zunächst auf die Verhältnisse in seinem Heimatland, Brasilien, in Bezug auf die dort weit verbreitete Agro-Gentechnik und die Zerstörung des Regenwaldes ein. Der Regenwald würde vor allem durch Feuerrodung weitläufig vernichtet, um Platz für riesige Soja- und Zuckerrohrplantagen sowie Viehzucht zu schaffen. Das Land sei zudem extrem ungleich verteilt zwischen Kleinbauern und Großgrundbesitzern. Durch die Regierung von Präsident Jair Bolsonaro und ihre Missachtung von Menschenrechten, besonders der indigenen Bevölkerung, habe sich die Lage noch verschlimmert. Zudem werde die Landwirtschaft durch den Einsatz von Agro-Gentechnik und Pestiziden zerstört. Dazu trügen auch deutsche Chemieriesen bei.

 

Die Lage sei desaströs, beteuerte der brasilianische Wissenschaftler. Das Handelsabkommen zwischen der EU und den MERCOSUR-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay ziele vordergründig auf einen sogenannten "Freien Handel" ab. Weil jedoch diese Staaten vorrangig nur landwirtschaftliche Produkte zu exportieren imstande sind, bedeute das eine weitere Verschärfung der Situation in Bezug auf den Regenwald, Landraub von Indigenen und Kleinbauern sowie den Gebrauch von Chemikalien.

Um seine Behauptungen zu veranschaulichen, zitierte Antonio Andrioli mit einigen Zahlen den Stand der Dinge. Laut der staatlichen brasilianischen Landbehörde INCRA gebe es 64 Millionen Hektar landwirtschaftlich bewirtschaftetes Land. Etwa 54 Prozent davon werden für Soja-Anbau verwendet. Dabei werden 46 Prozent dieser Fläche von einem Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe bearbeitet und 47 Prozent des gesamten Pestizideinsatzes in Brasilien werde beim Sojaanbau verwendet. Nur zwei Prozent der Flächen gehören Kleinbauern mit einem Grundbesitz von weniger als zehn Hektar. Bei den Agrarexporten habe Brasilien einen Überschuss von 25,4 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet.

Gensoja bringe keine Steigerung des ErtragsWie wenig der Einsatz von Gensoja bringe, zeigte Andrioli mit dem Ertragszuwachs. 15 Jahre vor der Zulassung von Gensoja (1987 bis 2002) sei der Ertrag jährlich um 2,8 Prozent gestiegen. In den 15 Jahren seit der Zulassung (2003 bis 2017) aber nur um 1,1 Prozent. Dabei sei während dieser Zeit viel neuer, unverbrauchter Boden mit angeblich angepassten, allerdings nicht nachhaltigen Sorten bebaut worden. Neben einigen anderen Faktoren werde die Sojaproduktion und die ebenso Pestizid verwendende Zuckerrohrproduktion durch das EU-MERCOSUR-Abkommen noch zunehmen, meinte der Professor.

Wie schädlich diese Pestizidverwendung ist, verdeutlichen die darauf zurückzuführenden Erkrankungen und Sterbefälle. Zwischen 2007 und 2017 habe es 41612 auf Pestizide zurückzuführende Vergiftungen gegeben – davon 514 Babys unter einem Jahr. Dabei sei zu beachten, sagte der Professor, wegen der schlechten staatlichen Infrastruktur würde nur einer von 50 Fällen registriert. Es seien in Wirklichkeit etwa zwei Millionen Erwachsene und fast 26000 Babys betroffen gewesen. Zwischen 2007 und 2014 habe es zudem 1186 offiziell registrierte Todesfälle gegeben. Mit einem Jahresverbrauch von einer Milliarde Kilogramm sei Brasilien ohnehin der weltgrößte Verbraucher von Pestiziden, behauptete Andrioli. Während den Amtszeiten von Bolsonaro und seinem Vorgänger Temer habe der Pestizideinsatz um das Dreieinhalbfache zugenommen. Widerlegt wurden vom Professor auch Aussagen der Gentechnik-Konzerne, beispielsweise dass Gentechnik zielgerichtet sei oder eine genaue Wirkung habe und Kontamination durch Bakterien unmöglich sei. All diese Behauptungen seien wissenschaftlich falsch. Auch bei der sogenannten neuen Gentechnik könnten Gene nicht zuverlässig an einem bestimmten Platz eingebaut werden.

Soziale Probleme durchdas HandelsabkommenZum Thema Handelsabkommen sagte Professor Andrioli, dieses würde zwar zweifelsohne einigen Großkonzernen weitere Profite bringen, der Bevölkerung beider Seiten aber noch mehr Ungleichheit und soziale Probleme. Zudem bedeute es weitere Umweltschäden durch Urwaldrodung in Brasilien und lange Transportwege von 10000 Kilometern. Der durch den billigen Import entstandene Druck würde hierzulande insbesondere noch mehr Kleinbauern in den Ruin treiben. Der Vertrag habe zudem keine wirksamen Mechanismen zur Durchsetzung von Sozial- und Umweltstandards.

Das war auch der Tenor bei der folgenden Diskussion, bei der einige Besucher ihren Unmut äußerten. So wurde ein "komplett anderes System von Politik und Wirtschaft" gefordert, dass Mensch und Natur in den Mittelpunkt stelle, statt kurzfristigen Profit, Schaden für die Umwelt und monetären Reichtum für Wenige.

Abschließend bedankten sich sowohl Leonhard Strasser als auch Georg Planthaler für den Vortrag und die Diskussion, in der kein Blatt vor den Mund genommen worden war.

Alois Albrecht

https://plus.pnp.de/lokales/berchtesgadener_land/3627663_Druck-auf-die-Bauern-waechst.html